Der Scharfrichter

„Der Scharfrichter“

von Joel F. Harrington

„Ein Henkersleben im Nürnberg des 16. Jahrhunderts“

Meine Bewertung

 

 

Der Scharfrichter

Inhalt/Klappentext:

Frantz Schmidt tötete fast 400 Menschen und hat unzählige weitere grausam gefoltert oder verstümmelt. Am Ende seines Lebens hatte der Nürnberger Henker über 700 Menschen Leid zugefügt. Der Historiker Joel F. Harrington hat nun erstmals dessen historisches Tagebuch aus dem 16. Jahrhundert ausgewertet. Dabei erhielt er seltene Einblicke in die Berufspraxis und den Alltag dieses Mannes, der neben seiner Rolle als gefürchteter Scharfrichter zugleich als Wundarzt tätig war.

 

Eigene Meinung:

Der Klappentext bzw. die kurze Inhaltsangabe werden dem Leben des Scharfrichters Frantz Schmidt bei weitem nicht gerecht, bzw. lässt den Eindruck eines grausamen und bösartigen Peinigers vermuten. Doch weit gefehlt, denn Harringtons gut ausgearbeitete Recherche zeigt einen Menschen mit Gefühlen und Gewissen, dem durchaus etwas am Seelenheil seiner „Klienten“ lag. Aber dazu später mehr.

Harrington beginnt seine Ausführungen zunächst mit einer allumfassenden Erklärung im Vorwort, wie man dieses Buch verständlich liest und räumt mit einigen Begrifflichkeiten, die im Verlauf des Buches des Öfteren vorkommen, zum leichteren Verständnis auf.

Allerdings hat das den Autor nicht davon abgehalten seinen gesamten Bericht mit unzähligen Textpassagen in altdeutscher Schrift- und Mundart zu versehen. Dieser Aspekt beeinträchtigt den Lesefluss enorm, denn nicht immer habe ich den Sinn des altdeutschen Textes in Gänze verstanden bzw. in verständliches Deutsch übersetzen können. Mitunter hatte ich davon einen regelrechten Knoten in Hirn und Zunge. Ab Mitte des Buches habe ich dann weitestgehend meinen Enthusiasmus für diese Textzeilen verloren und sie teilweise ganz übersprungen. Dies ist durchaus möglich, ohne den Zusammenhang zu verlieren.

Harrington geht in Frantz Schmidts Leben chronologisch vor, beginnend mit seinen Kinder- und Jugendtagen im elterlichen Haus und bindet den Vater, der ebenfalls der Tätigkeit eines Scharfrichters nachging, ein. Hierbei erfahren wir auch, wie die Familie Schmidt zum genannten Berufsstand kam und warum dieser Beruf, eher unfreiwilliger Natur, durch den Vater Heinrich und später auch vom eigenen Sohn Frantz ausgeübt werden musste. Denn Scharfrichter war zur damaligen Zeit bei weitem keine ehrbare Beschäftigung, sondern wurde eher verachtet und gefürchtet. Sie besaßen kein Bürgerrecht und wurden allgemeinhin von der Gesellschaft ausgegrenzt. Dies galt sowohl für den Henker als auch für seine gesamte Familie.

Im weiteren Verlauf der Geschichte werden wir zur „Lehrzeit“ durch den Vater, der Wanderschaft nach seiner Ausbildung und der letztendlichen Endverwendung als amtlicher Scharfrichter in Nürnberg unterrichtet. Joel F. Harrington hat trotz weniger überlieferter Fakten eine ausgesprochen interessante und umfassende Lebensgeschichte zum Scharfrichter Schmidt zusammenfassen können. Dies erforderte sicherlich jahrelanges Suchen winzigster Schnipsel aus zahlreichen Antiquariaten und Museen, die einer Schnitzeljagd gleichkommt. Der Autor distanziert sich aber auch klar davon, etwas hinzuzudichten, sondern stellt stattdessen höchstens Vermutungen über die Gefühle und Beweggründe Schmidts an.

Was diesen Scharfrichter so überaus interessant und faszinierend macht, ist die Art und Weise seiner ganz persönlichen Lebensführung und seiner Prinzipien zum Richten der verurteilten Täter. Zu seiner Lebensführung sei gesagt, dass Schmidt während seiner gesamten Amtszeit ein frommer und ehrlicher Mann gewesen sei, der nie einen Tropfen Alkohol getrunken hat, sich nicht im Glücksspiel verlor und sich auch sonst nichts zu Schulden kommen lassen hat. Für die damalige Zeit für einen Henker nicht allzu üblich.

Selbst bei der Vollstreckung agierte „Meister Frantz“ ,wie er im Volksmund genannt wurde, anders als andere Henker. In seinen Berichten bezieht er bewusst soziale Faktoren wie Erziehung, Bildung und  Milieu des jeweiligen Sträflings mit ein um gewisse Taten nachvollziehen zu können oder einige Strafen sogar abmildern oder abändern zu können. Auf der anderen Seite hatte er aber auch kein Erbarmen bei besonders abscheulichen Vergehen und handelte nach dem Grundprinzip der Eigenverantwortung.

„Alle diese Männer haben ihre Entscheidung getroffen, scheint Frantz zu sagen, und somit haben sie ihr Schicksal selbst verschuldet. Jeder Mensch ist zur Sünde verdammt; Gnade zu suchen oder zu erweisen ist eine Entscheidung.“ (Auszug S.270)

Ebenfalls positiv hervorzuheben sind die zahlreichen Bilder und Kupferstiche zum Henkersleben oder sogar Frantz Schmidt selbst betreffend, sowie eine Landkarte seines Wirkungskreises und der Stadt Nürnberg, der er 40 Jahre treu diente.

Fazit:

Ich bin kein Historiker oder Geschichtsexperte. „Der Scharfrichter“ war sogar mein erstes Buch mit historischem Charakter, das Mittelalter betreffend. Aber ich empfand diese Lebensgeschichte durchweg interessant und spannend und es wurden mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet.

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