Die Erinnerung an unbekannte Städte

„Die Erinnerung an unbekannte Städte“ 

von Simone Weinmann

Meine Bewertung

„>>Willst du als armer Dorflehrer sterben? An einem Schnitt im Finger? Verhungern nach einer Missernte?…Es gibt nur einen Weg vorwärts. Der Krieg ist der Vater aller Dinge, sagt Heraklit.<<.“ 

Die Erinnerung an unbekannte Städte

Inhalt/Klappentext:

2045. Eine Katastrophe hat die Menschen auf eine karge bäuerliche Existenz zurückgeworfen, viele finden Trost im Glauben. Nathanael und Vanessa sind jung, wollen sich nicht abfinden und laufen fort. Ihr Lehrer, der noch weiß, wie es früher war, wird geschickt, um sie zu suchen. Doch der Weg führt für alle drei durch gefährliches Terrain.

Nathanael ist fünfzehn, als seine Eltern ihn aus der Schule nehmen, obwohl er ein so begabter wie wissbegieriger Schüler ist und unbedingt Arzt werden möchte. Aber seine Mutter hat eine Laufbahn als Prediger für ihn vorgesehen, und Universitäten gibt es nicht mehr. Oder doch? Nathanael hat von einem Polytechnikum in Italien gehört und beschließt, dorthin aufzubrechen. Auch Vanessa, eine Mitschülerin, will weg aus der Enge des Dorfs. Bei Nacht und Nebel brechen sie gemeinsam auf. Als man ihre Abwesenheit entdeckt, wird ihnen Lehrer Ludwig nachgeschickt. Anders als die Jugendlichen erinnert er sich noch an die Zeit vor der Katastrophe und hofft auf keine Besserung mehr. Seine Schüler aber kann er nicht im Stich lassen, und der Weg durchs gesetzlose Gebiet ist gefährlich.

In ihrem spannenden dystopischen Roman erzählt Simone Weinmann von einer Welt, die nur noch entfernt der unseren ähnelt: Worauf werden die Menschen bauen, wenn sie den technischen Fortschritt verlieren, wenn es keinen Strom mehr gibt? Werden sie sich an den Glauben klammern oder von Wissensdurst getrieben ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen? Leise und tastend, aber umso eindringlicher schildert Simone Weinmann ein archaisches Leben, in dem der Verlust gesellschaftlichen und technischen Fortschritts erschreckend deutlich wird.

Eigene Meinung:

Dafür, dass es das Erstlingswerk der Autorin ist, liest es sich wie von einem begnadeten „alten Hasen“, der jedes Jahr seinen Bestseller veröffentlicht. Wunderbar bildhaft und mit dem Talent eine graue, triste neue Welt derart authentisch zu beschreiben, dass man beim Lesen immer eine dicke Kuscheldecke braucht um die Kälte zu vertreiben.

Das Jahr 2045 ist so gesehen nicht wirklich weit in der Zukunft. Wir alle würden rein theoretisch in diesem „Morgen“ noch leben. Umso besser konnte ich mich damit identifizieren und stellte mir oft die Frage „Wie wäre es mir wohl an „Stunde Null“ ergangen und in der Zeit danach?“

Als „Stunde Null“ beschreibt Simone Weinmann den Auslöser dieses Endzeitszenarios. Eine menschengemachte Katastrophe um eigentlich den Klimawandel und den Treibhauseffekt zu verzögern. In einem nicht beschriebenen Vorgang veränderte man die Erdatmosphäre soweit, dass weder Himmel noch Sonne zu sehen sind. Eine graue Wolkendecke überzieht die Welt. Allein die Vorstellung, dass es zwar irgendwie hell ist, aber man die Sonne nie sieht empfand ich sehr beklemmend. Wie diese grauen, kalten Regentage im Herbst, bei denen man sich lieber den ganzen Tag mit Tee und Buch auf dem Sofa einkuschelt.

Die Geschichte las sich für mich lange mit dieser bittersüßen Atmosphäre der Ausweglosigkeit. Ein Großteil der Bevölkerung flüchtet sich in Glaube und Religion. Sehr nachvollziehbar, aber aus der wohligen Blase unserer aktuellen Sicht natürlich fatal, da dies ein Zurückkommen zur Normalität und dem Fortschritt eher behindert oder gar ganz unterbindet. Aber ob dies gut oder schlecht für die Menschheit sein mag, da möchte ich mich an dieser Stelle nicht anmaßen, darüber zu urteilen.

Leider kam für mich nach knapp einem dreiviertel des Buches die Geschichte irgendwie zum Stillstand. Als sei die Autorin hin und hergerissen, ob sie ihre Protagonisten zu einem zufriedenstellenden Ende führt oder lieber doch weitererzählt. Klar, ihr Ausgang der Geschichte sollte Neuanfänge, Aufbrüche und neue Hoffnung für das einzelne Individuum, sowie für den neu aufkeimenden Leitgedanken des Umbruchs der nächsten Generation zeigen, aber so ganz überzeugen konnte sie mich mit den letzten Zeilen leider nicht. Diese Erzählung ist wirklich klasse und wie bereits gesagt, super gutgeschrieben. Dennoch hinterließ es bei mir den Gedanken „Da geht doch noch mehr! Da fehlt mir was!“

Fazit:

Eine ausgesprochen atmosphärische und absolut glaubwürdige Dystopie.

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